Wer schreibt, braucht Freiheit. Solidarität. Zusammenhalt.
Dafür arbeitet der VS. Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller in Schleswig-Holstein
Wie alles anfing....
Momentaufnahmen zur Geschichte des VS Schleswig-Holstein mit Peter Kuhlemann
Peter Kuhlemann (Jahrgang 1913) studierte in Berlin Biologie, Architektur und Sport. Wegen seines Widerstandes gegen den Nationalsozialismus wurde er 1937 vom Studium ausgeschlossen. Nach 1949 aus sowjetischer Gefangenschaft zurückgekehrt, schrieb er 13 Bücher und gründete 10 Naturschutzgebiete. Das hier veröffentlichte Gespräch mit Peter Kuhlemann und Henning Berkefeld fand im März 1993 in Niebüll statt, wo beide auf den Autozug nach Sylt warteten, wo Peter Kuhlemann lebt.
Die Gründungsversammlung des VS fand in Hamburg in einem sehr großen Saal statt. Da prallten natürlich die Meinungen unerhört aufeinander, wie das nun laufen sollte. Es gab Leute, die gingen schon in die Paragraphen und Statuten. Ich denke da an den Hannes Schwenger, der sehr, sehr aktiv war und später der Sozialreferent wurde. Oder an Zwerenz, der die starke Opposition machte und schließlich dann doch “ja” sagte mit dem Motto, ‘na ja, wir müssen diese Kröte schlucken.’ Vor allem an Dieter Lattmann. Dieter Lattmann leitete die Versammlung sehr souverän, und er ließ sich einfach nicht unterlaufen. Ich habe gestaunt, wie souverän Dieter Lattmann das machte. Vor allen Dingen habe ich über seine Aussage gestaunt. Sinngemäß sagte er. ‘wenn ich euch alle unter einen Hut gebracht habe, dann werde ich Politiker bei der SPD.’
Wir aus Schleswig-Holstein waren beteiligt durch den Bühnenschriftsteller und Dramatiker Kleffel, dann Hermann Dombrowski, der aus Eckernförde kam und aus der Arbeiterjugendbewegung viel mitgebracht hatte. Dann den großen Seefahrer und Kaphornier Fritz Brustat Navall, der viele Seefahrererlebnisse und auch Romane und ähnliches geschrieben hat. Ein sehr aktiver Mann.
Wir haben in dem damaligen, unerhört konservativen Verband hier in Schleswig-Holstein, in dem wir alle Mitglied waren, durchgedrückt, daß wir in diesen VS mitgründen würden. Der damalige Vorsitzende, Christian Diedrich Hahn, war tolerant genug, das einzusehen. Obwohl er dagegen war. Er versuchte das ein bißchen zu sabotieren, aber im allgemeinen war er tolerant. Und dann haben wir also beschlossen, daß man ja in beiden Gremien Mitglied sein konnte. Also in dem vorhandenen, der hieß “Schriftsteller in Schleswig-Holstein und Eutiner Kreis”. Der ging auf Voss zurück. Das war möglich, obwohl es später echte Differenzen gegeben hat. Gerade durch die Vorsitzenden des alten Vereins, z.B. M. Eckert.
Im neuen Verein hatte Herrmann Dombrowski eine Chance ausgelassen, die, daß Schleswig-Holstein sofort in den Vorstand kam und in den Bundesvorstand. Wir hatten gleich bei der Gründung beschlossen, daß wir zwar erstmal eine Gewerkschaft engerer Art haben wollten, aber daß insgesamt die IG Medien anzustreben wäre.
Dann gab es noch mal schwankende Meinungen, denn der Vertreter der Künstler hatte sehr überzeugend gesprochen. Aber schließlich landeten wir doch in der “Druck und Papier” unter der Führung von Leonhard Mahlein.
Natürlich kann man jetzt nicht über die vielen, vielen einzelnen Vorgänge sprechen. Ich entsinne mich aber noch, daß wir einmal das Lokal wechselten, zu einer internen Besprechung. Als ich mit Uwe Friesel ein paar persönliche Ansichten wechseln konnte... und dann legten wir also los.
Wir haben Hamburg als Landesverband, haben Schleswig-Holstein als Landesverband gehabt und natürlich auch die anderen Bundesländer. Aber uns interessierte natürlich Schleswig-Holstein.
In Schleswig-Holstein waren zu Anfang wenig Aktive. Wir freuten uns aber, daß wir nun eine Möglichkeit hatten, mit gewerkschaftlichem Schutz - man denke an Altersversorgung und ähnliche Dinge - zu arbeiten. Das haben wir dann gemacht, so gut es ging. Dann kam, ich würde sagen, zu unserem Glück, nach kurzer Anfangszeit als Geschäftsführer des VS Holger Malterer. Und mit Holger hat dann der VS in Schleswig-Holstein einen großen Aufstieg erlebt. Man darf nie vergessen, daß diese VS-Arbeit von Malterer, der ja Geschäftsführer nicht nur des VS war, sondern auch der Gewerkschaft, daß er nicht nur sein Büro, sondern auch seine Zeit zur Verfügung stellte.
Wir haben auch Krisen erlebt. Fritz Brustat Navall paßte manches nicht. Er war immer sehr kurz entschlossen und trat aus. Ich mußte ihn überreden, wieder einzutreten. Kleffel starb. Dombrowski schwärmte ‘n bißchen, er war weniger ein Praktiker. Zeitweilig standen wir so da, daß Burstat und noch ein paar Leutchen und Holger Malterer und ich praktisch den VS ausmachten.
Dann wurde von Stuttgart aus beschlossen, daß wir dem Landesverband Hamburg angeschlossen werden sollten. Da hab’ ich einen harten, harten Kampf gegen die Stuttgarter geführt und Holger überzeugt, daß wir uns nicht an Hamburg anschließen lassen dürfen. Das hat sich gelohnt, Holger ließ sich überzeugen, - dann kam Jochen Mißfeld. - nebenbei, ich hatte ihm die Regieassistenz für seinen Film “Überflug” gemacht. Jochen war damals Major und flog eine Phantom. Dieser Überflugfilm war übrigens recht erfolgreich. - Jochen Mißfeld trafen wir plötzlich wieder in Schleswig-Holstein. Er war hier nach Leck versetzt worden und studierte nebenbei noch Volkskunde, Archäologie und Musik, glaube ich, an der Uni Kiel. So daß er dauernd von hier oben, aus Nordfriesland also, die Verbindung nach Kiel aufrecht erhielt. Ich war damals zweiter Vorsitzender, aber ich muß sagen, ich war’s nur pro forma. Ich hatte wirklich durch einige Schicksalsschläge, Großbrand, wobei mein Archiv und alles verbrannte, mit mir selbst genug zu tun. Jochen und Holger Malterer haben damals die ganze Arbeit geleistet.
Als Jochen wegen Arbeitsüberlastung zurücktrat, spielten dann teilweise eine größere Rolle Hein Hoop, Hannes Wader als Mitglied, Dietlinde Hedwig-Heckt und Robert Meerstein. Er engagierte sich sehr im Hörspiel und war zeitweilig im Vorstand tätig. Dann kam schließlich Udo Steinke. Einmal lebte er in Husum, dann lebte er wieder in München. Er leitete den Vorstand weiter. Die Hauptarbeit lag aber immer beim Geschäftsführer.
Wir haben zwischenzeitlich, weil ja der VS, ich möchte sagen, eine Elitegruppe der versierten und etablierten Schriftsteller ist (mit ‘Aufnahmebedingungen’!), den “federkiel” gegründet. Damals, so hieß es, mußten zwei Bücher vorliegen oder entsprechende Leistungen beim Hörfunk oder beim Fernsehen. Da haben wir als Hilfsorganisation, da der VS selbst nicht so förderungsfähig war wie eine Unterorganisation, den “federkiel” ins leben gerufen. Es ist eine Hilfsorganisation für alle, die nicht in den VS hineinkommen. Der “federkiel” gibt die Möglichkeit, in Werkstätten, vom Medium Film übers Hörspiel bis zur Textarbeit, Hilfestellung zu leisten.
Der Name stammt von mir. Ich hab ihn damals durchgesetzt gegen die allgemeine Meinung, und nachher waren sie alle dafür. Ich dachte an das Schreiben mit der Feder und ihrem Kiel “federkiel”. Da steckt einmal der Kiel drin. Und dann steckt auch die Stadt Kiel drin. “federkiel”. Nun ist “federkiel” inzwischen ein Begriff geworden. Ich bilde mir auch ein bißchen was ein, auf diese Namenserfindung.
Von da an, kann ich sagen, haben wir zumindest mit den anderen Bundesländern gleichgezogen. Wir sind hier oben im Grunde im musischen Bereich so ein bißchen hinterher. Es gibt das berühmte Wort “Frisia non cantat”, im weitesten Sinne, würde ich sagen. Aber es es sind inzwischen doch enorm gute Leute hier oben gefördert worden.
Ich darf auch andere Förderung nicht vergessen. Z. B. hatte ich große Schwierigkeiten, als Naziverfolgter und als fünfjähriger Sowjetgefangener Anschluß zu finden. Auch hinsichtlich der Altersversorgung. Der VS mit seinem Rechtsvertreter in Kiel hat für mich eine Rentensache durchgefochten, die für mich sehr wichtig war. Allein hätte ich das nicht geschafft. Das ist nur ein Hinweis, wie förderlich diese Gründung des gewerkschaftlichen Schriftstellerverbandes ist, und ich kenne viele Fälle, wo es entsprechende geholfen hat.
Es sind natürlich unerhört viel kleinere Dinge geschehen. Lesungen und die Verbindung mit der Landesregierung. Die Tandemlesung, die Schullesungen, die VHS-Lesungen, die Büchereilesungen, die 500 Lesungen zur deutschen Frage, die Lesungen in den Sozialeinrichtungen, die Schleswig-Holsteinischen Literaturtage, das Schleswig-Holsteinische Literaturforum. “Literatur multimedial”. “Kennen Sie Ihren Nachbarn?”, Schleswig-Holstein - Land der Dichter - heute, die literarische Spurensuche und die Tourneeprogramme. Dadurch ist doch die Literatur in Schleswig-Holstein weiter in den Vordergrund gebracht worden.